Osvaldo Pesamosca

Kugys Bergführer aus dem Raccolanatal

"Der starke Bergwolf der Raccolana"

Der berühmteste und beste friaulische Bergführer der damaligen Zeit aus dem berühmten Familienstamme der Lòuf (Wolf).

Pesamosca Osvaldo (Lòuf), Bergführer. 

*Piani di La´, Val Raccolana (Friaul) am 14.5.1863;

gest. am 28.3.1929 in Pianitti, Val Raccolana (Friaul).

 

Stammte aus sehr ärmlichen bäuerlichen Verhältnissen und war viele Jahre als Holzarbeiter im Ausland, u.a. in Rumänien tätig. Nach der Heimkehr entwickelte er sich zum kenntnisreichsten und erfolgreichsten Bergführer Friauls und übte diese Tätigkeit bis 1914 aus. Außer Kugy, der mit ihm ab 1895 zahlreiche Touren in den westlichen Julischen Alpen unternahm, führte Pesamosca (manchmal gemeinsam mit A. Oitzinger) G. Bolassio, V. Dougan, A. Gstirner, O. Lorenz, T. Mikosch, E. und . Poech.


""Stretti", zu deutsch "die Enge", heißt das winzige Bergdorf, das im wilden Raccolanatal, gleich einem Schwalbennest, am kahlen Berghang klebt.

In den zwei äußersten Hütten des Dorfes, die sich am höchsten an der Bergwand emporgewagt hatten, hauste, wie seit urdenklichen Zeiten, das Geschlecht der Pesamosca. "Loufs", die Wölfe, nannte sie das Talvolk. Kein Wild war sicher vor ihrem Raubzug; ruh- und rastlos streiften die "Loufs" durch die Forste des Neveawaldes, durch die Schluchten des Montasch, wo der steinerne Moses seine ewige Wache hält, über die weiten Almen des Foronon und Medeon, ob die Julisonne herabbrannte, ob der Schneesturm raste. Sie waren die Kühnsten, die Ersten, die im Frühling der Gefahr der Lawine trotzten, sie waren die Letzten, die der Nordwest ins Tal hinabzwang.

Sie waren auch die Herren und Meister der Ortschaft. Solange Stretti stand, waren die Pesamosca in allen wichtigen Entscheidungen Richter und ausschlaggebende Berater gewesen. Sie waren die stillschweigend anerkannten Könige des Hochtals, die Abkömmlinge Fuârts, des Gewaltigen, des Königs der Berggeister."

 

Raccolana, Erzählungen aus dem Hochgebirge - Erich August Mayer, 1923

"Nur einmal in hundert Jahren lacht ein Pesamosca!" so weiß die Sage zu erzählen. "Doch wenn er lacht, dann zittern die Berge."

Nachruf von Dr.Julius Kugy

"Nun muß ich auch diesem ehernen Manne den Nachruf schreiben. Gleich dem lebensfrohen Oitzinger schreitet auch Pesamosca, der ernste, dunkle Friaulaner, der nicht lachen konnte, durch viele Seiten meines Bergbuches.


Er war in Piani zu Hause, im Raccolanatal. Sein Haus ist immer halbfertig geblieben, er saß nicht wie Oitzinger in fest begründeter, warmer Wohlhabenheit. Die Raccolana und ihre Bewohner sind sehr arm. Das Tal ist von Wildwassern verwüstet. Es ist auch karg an Sonne. Die übermächtigen Schatten des Kanin weichen zu spät am Tage und senken sich zu früh nieder...Den Männern ist es versagt auf Anwesen seßhaft zu sein. Sie müssen wandern und wandern, um den Lebensunterhalt für ihre Familien zu verdienen. So ist auch Pesamosca gewandert und gewandert, sein ganzes Leben lang. Wiederholt in die Fremde, nach Deutschland, nach Österreich, nach Rumänien, und, blieb er im Lande, Tag für Tag dem bescheidensten Erwerbe nach talaus, talein, berauf, bergab, tiefernst, schweigsam, das dunkle Angesicht oft von der Sorge gezeichnet...


Ich lernte ihn kennen, als er das erste mal aus den rumänischen Wäldern heimkehrte. Der Mann gefiel mir sehr, ich wollte ihn gleich an mich heranziehen. Aber seines Bleibens war damals noch nicht, er wanderte zum zweiten mal nach Rumänien aus, wo er wieder jahrelang verblieb. Als er endgültig zurückkam, wurde er mit Oitzinger einer meiner ständigen Begleitführer in den Juliern. Über meine Veranlassung erhielt er von der "Societa Alpina Friulana" das italienische Führerpatent. Er hat mein Vertrauen mit einer Dankbarkeit, mit einer Anhänglichkeit und einer Liebe gelohnt, die schon in das schwärmerische übergriffen. Treu und lauter wie Gold, eisern in Ausdauer und Kraft, so hartgehämmert vom schweren Leben und doch so weich und unschuldig geblieben im Herzen, hat er sich mit einer geradezu wundervollen Begeisterung und Hingabe in meine Dienste gestellt.

Nach seinen Familientraditionen mit der freien Gemsjagd aufgewachsen, kannte er genau seine Berge und war überaus reich an Erfahrung.


Was ihn aber mir besonders wertvoll machte, war seine Zugehörigkeit zum talberühmten Familienstamme der Lòuf (von lupo = Wolf), waren vor allem die Überlieferungen nach seinem Vater Pietro Antonio und seinem Onkel Giuseppe, die er mir vermittelte. Beide gewaltige Gemsjäger, Giuseppe heute noch der sagenhaft gewordene Bergheld der Raccolana. Um sich der Militärdienstpflicht zu entziehen, hatte er sich in die Hochregionen des Montasch, des Wischbergs und des Kanin geflüchtet und hat dort sieben Jahre einsam und verborgen gelebt. Ferne von Behausungen und Menschen, in vergessenen Almhütten, unter Überhängen, im Freien. Oft von den Gendarmen gesucht und verfolgt, viel in Schwierigkeiten, Not und Gefahr, immer bedroht, kümmerlich lebend von der Jagd und von dem Wenigen, das man ihm heimlich zutragen konnte. Aber Herr und Meister ist er so in seinen Bergen geworden.

Oswaldo muß als Knabe ein sehr aufmerksamer Zuhörer gewesen sein, wenn Vater und Onkel von den Geheimnissen ihrer Berge sprachen, und gar manches, was er mit wiedererzählte, haben wir dann in verwegene und oft wunderschön geglückte Unternehmungen umgesetzt. Für uns, die wir im Banne der Julischen Alpen aufgewachsen sind, lag auf dem Stamme der Lòuf ein ganz eigenartiger, romantischer Zauber. Wie paßten diese Männer in das stille Reich des Kanin. So schien auch Osvaldo aus den Klüften des geheimnisvollen Berges hervorgewachsen. Hätten die Lòuf Wappen und Zeichen geführt, es müsste darinnen stehen ein mahnender Finger auf geschlossenem Munde.


Pesamosca ist auf ungezählten Bergfahrten mein Begleiter gewesen, auch im Winter. Ungezählt sind auch die Biwaknächte, da er mein Lagerfeuer und meinen Schlaf behütete. Keine Mühe war ihm zu groß, kein Weg zu weit, kein Hang zu steil, galt es mir einen Trunk frischen Wassers zu verschaffen. Er war ein starker Helfer in der Erschließung der westlichen Julier. In deren italienischem Teil war er weitaus der berühmteste und gesuchtetste Bergführer. Zu unseren größten gemeinsamen Tagen gehören die Erstersteigungen des Nordturms des Montasch, des Montasch aus der Forca dei Disteis, des Spranjeturmes aus der Spranje, der Kaltwasser Gamsmutter aus dem Kaltwassertal. In meinem Auftrage hat er auch mit Vladimir Dougan erstmals die "Götterbänder" begangen. Er war ein glänzender Kletterer, von vornehmer und unfehlbarer Sicherheit, vielleicht am bewunderungswürdigsten, wenn er in seinen friaulischen Scarpetti bedächtig aber unwiderstehlich die glatten, steilen Platten der Julier nahm. Er ist früh alt geworden. Da gemahnte seine hohe, breitschultrige, knorrige Gestalt an den verwitterten Stamm der Berglärche, die zu höchst am Hange steht. So fest ist er auch immer im Fels verwurzelt gewesen.


Der böse Winter 1929 hat den 66jährigen Mann gefällt. In den Fieberphantasien der allerletzten Tage wähnte er sich beständig auf großer Bergfahrt mit uns. Es waren offenbar die glücklichsten und stolzesten Stunden seines Lebens, die da noch einmal am Sterbenden vorüberzogen. Das ganze Tal hat ihn bei seiner Beerdigung geehrt, von allen Bergdörfern war man in Scharen gekommen. Wer Edelweißblüten im Hause hatte, brachte sie mit und legte sie auf seinen Sarg oder auf sein Grab. Das war ganz mit Edelweiß bedeckt...."


Julius Kugy, Arbeit-Musik-Berge, Ein Leben, Bergverlag Rother, 1931


"Wo der Lòuf entlang gegangen ist kann man gehen, aber wo der Lòuf nicht gegangen ist, wird man niemals gehen."