Zlatorog - der sagenumwobene Gemsbock mit den goldenen Hörnern
Zlatorog, der Gamsbock mit den goldenen Hörnern ist eine slowenische Sagengestalt, die im Triglav-Gebiet beheimatet ist.
Die seit Jahrhunderten von Generation zu Generation überlieferte Geschichte handelt vom jungen Jäger
Janez, der schönen, blonden Wirtshaustochter Jerica aus dem Tal der Soca und ihrer Widersacherin, der braunen Spela, von Liebe, Gold, Reichtum, Neid und
Habgier.
Der bekannte deutsche Dichter Rudolf Baumbach (1840-1905, - ein sehr guter Freund der Familie Kugy) hat die slowenische Volkssage in seinem bis heute sehr erfolgreichen Büchlein "Zlatorog - Eine Alpensage" in wunderbaren Worten und Versen 1876 niedergeschrieben.
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Eine Buchbesprechung aus dem Jahre 1877:
"Eine Alpensage" nennt der bescheidene Dichter das herrliche Büchlein; es bietet weit, unendlich weit mehr als der Titel verheisst. Was der Slovene von seinen Bergen, von deren geheimnissvollen Bewohnern singt und dichtet, wird uns hier in reizvoller, formengewandtester Weise im Rahmen einer epischen Naturdichtung geboten, deren Schöpfer selbst ein enthusiastischer Alpenfreund ist und nebenbei bedeutende botanische Kenntnisse besitzt. Dazu lässt das vorliegende Büchlein, sowie frühere Proben des Talentes des Dichters (die mit R. B. gezeichneten Aufsätze und Gedichte in der Sammlung humoristisch-alpiner Gedichte „Enzian" genannt) erkennen, dass Baumbach ein von der Muse begnadeter Sänger ist.
Das Werk eines wahren Dichters, eines Berg- und Blumenfreundes, von freudiger Frische beseelt, in ungezwungenen Versen, doch kraftvoller Sprache geschrieben, erscheint „Zlatorog" dem Kritiker und dem gesammten deutschen Publikum als eine wahre Oase in der öden Wüstenei der landläufigen, höchstens mit etwas Dorfgeschichte verquickten Feld-, Wald- und Bergsee- Besingung.
Das Gebiet, in welchem Baumbach seine Gestalten auftreten lässt, bilden die in weiteren Kreisen noch nicht genügend bekannten Kalkklippen, Geröllhalden und blumenreichen Bergwiesen des Triglav in seinem Gehänge gegen den tiefgrünen Isonzo, den der Dichter, slovenischer Schreibweise folgend, stets Soča nennt. Die drei Schicksalsgöttinen der slovenischen Sage, „Rojenice", weissgekleidete, mildthätige Frauen, erscheinen Tor uns. Sie stehen verlassenen Wöchnerinnen in der schweren Stunde bei, und sagen das Schicksal des Neugeborenen voraus. Ihre Lieblingsherde besteht aus weissen Gemsen, welche in einem, nur wenigen glückbegünstigten Menschen zugänglichen Bergparadiese in den Triglav-Klüften weiden. Der Leitbock, der stolze Zlatorog mit dem goldenen Gehörn, dessen Besitz die Schatzhöhle im Berge Bogatin erschliesst, ist's, welcher dem Liede den Namen gibt. Unbeirrt von dem Skrat, dem launischen, doch nicht unfreundlichen Bergkobolde steigt der junge Jäger, ein Schützling der Rojenice, aus dem Trenta- (obersten Isonzo-) Thale zur Höhe. Er erreicht das Paradies der Rojenice, erschaut die weissen Gemsen, und will eben zum tödtlichen Schusse auf Zlatorog anlegen, da warnen ihn die Schicksalsfrauen, dass Verderben dem drohe, der ihre Herde schädigt.
Der Jäger begnügt sich mit einem anderen Gratthier, erlegt noch einen Luchs, zieht zur Komna-Alm nieder. Da gewinnt er, ohne es zu wollen, die Neigung der braunen Spela, der Sennerin. Im Kreis um das harzige Feuer sitzen die Hirten; sie erzählen von den weisen Frauen, von der schönen Vida, vom Kralj Matjas und dem Königssohne Marko, den Volkshelden der Czernagora. Der Sagencyclus des Slovenen entrollt sich Tor unserem Auge. Ist's uns dabei doch, als sässen wir selbst mit am Feuer und lauschten dem Erzähler, wie doch fast jeder von uns auf einsamer Alm schon einmal in das innere Leben, in den Sagenschatz des Gebirgsvolkes geblickt hat!
Das Thal erreicht der Schütze; reichen Lohn bietet ihm für die Beute Frau Katra, die dicke Wirthin an der Socabrücke; er schlägt ihn aus, einzig einen Tanz mit Jerica, deren blondem Töchterlein, begehrend.
„Die Saiten schwirren,
Die Pfeife tönt,
Der Kienspahn flackert,
Der Boden dröhnt.
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Die Geigen verklingen, da flüstert sie leis:
„Und musste mit dir ich schreiten
Zum ersten Tanz auf der Mutter Geheiss,
So gewähr' ich freiwillig den zweiten
Und den dritten, den vierten - die ganze Nacht-"
Jäger, Jäger, nimm dich in Acht.
Zu tief hat er in Jerica's Augen geblickt. Reizvoll ist die Entwicklung ihrer beiderseitigen Liebe geschildert, herrlich das Leben und Treiben in Frau Katra's Haus, das wir wohl nach Flitsch verlegen müssen. Dort ruhen aus, am Wege zwischen Karfreit und Tarvis, Quacksalber, Theriak- Krämer, Maler wälscher Zunge;
„Auch junge Deutsche in geschlitztem Wams
Am Bandelier den langen, spitzen Degen,
Den Hut beschattet von der Straussenfeder,
Die sich in Padua am Born der Weisheit
Gelabt, und nun als hochgelehrte Herren
Magister und Doktoren heimwärts wallen,
Erfrischen sich im Wirthshaus an der Sofa
Die allzeit durstigen Studentenkehlen."
Ein Venediger Kaufherr bietet Jerica ein Goldkettlein, um sie zum Tanze zu führen ; das will der Jäger seiner Liebsten wehren. Beschämt aber ob seiner Einsprache weist sie ihn ab, höhnt ihn, dass er, der Schützling der Rojenice, besser thäte, sein Mädchen mit Schätzen zu zieren, als ihr blos die Blumen des Triglav zu bieten. Er stürzt hinaus, seinem Todeslose entgegen. Beschlossen hat er's, Zlatorog zu fällen, die Schätze des Bogatin zu gewinnen.
Er steigt bergan. Dieweil:
„Jerica ringt sich die Hände wund,
Jerica betet mit bleichem Mund,
Betet und schluchzt: Vergib, vergib!
Hab' dich so lieb, unendlich lieb;
Kehre zurück, mein Trauter!"
Sein Los erfüllt' sich. Er verwundet Zlatorog. Aus des weidwunden Gemsbockes Blute spriessen die rothen Triglavrosen, deren Genuss des Thieres Wunde heilt.
„Jetzt betritt sein Fuss ein schmales Grasband,
Rechts die Wand, die blaue Luft zur Linken,
Unter ihm die purpurfarbne Tiefe.
Da auf einmal hemmt den Weg ihm drohend Zlatorog, vom Zauberkraut genesen.
Blitze zucken um den gold'nen Hauptschmuck,
Und geblendet steht der Trentajäger.
Kreisend drehen sich um ihn die Felsen,
Kreisend alle schneegekrönten Gipfel.
„Jerica " ertönt's von seinem Munde,
„Jerica" erschallt es tausendstimmig
Aus den Felsen — und dann wird es stille.
Stolz und langsam zieht der goldgehörnte Zlatorog bergab. Der Weg ist frei."
Trüb und brausend wälzt die Soca ihre Wellen dahin. Sie tragen einen todten Mann mit zerschmetterter Stirn heran. Die braune Spela flucht der Jerica als Mördern, und springt dem Leichnam nach, um wenigstens im Tode mit ihrem Herzallerliebsten sich zu einen.
„Der gold'ne Hort im Berge Bogatin
Ist bis auf diesen Tag noch nicht gehoben.
Nach siebenhundert Jahren aber wächst
Im Felsenmeer des Triglav eine Tanne,
Und aus dem Holze des erwachs'nen Baumes
Wird man zu einer Wiege Bretter sägen,
Und in der Wiege wird der Knabe liegen,
Der einst gelangt zum Schatz im Bogatin."
Dies der Schluss der wundervollen, farbenprächtigen Dichtung. Wir meinen, dass der Schatz im Bogatin, der rechte Schatz der Poesie, von Baumbach bereits gehoben ist, und überlassen ein weiteres Urtheil den sicherlich zahlreichen Lesern des Büchleins....
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