36. Etappe des Alpe-Adria-Trails
Von Lokev nach Bagnoli della Rosandra
Typischer Karst, ehemalige k. und k. Eisenbahn, alte Römer und legendäre Bergsteiger
Die vorletzte Etappe des Alpe-Adria-Trails führt uns von der Ortschaft Lokev in der Nähe von Lipica (Lipizza) auf den Berg Kokoš (Monte Cocusso), über die ehemalige
österreichische k. und k. Eisenbahnstrecke der Triest - Herpelje - Bahn (ital. Erpelle, slow. Hrpelje) durch das Naturreservat Rosandratal (Val Rosandra, Dolina Glinščice) -
"Ein geschichtsträchtiges Gebiet voll landschaftlicher Schönheit"
(Der offizielle Alpe-Adria-Trail beginnt diese Etappe in Lipica. Da wir in Lokev übernachtet haben starten wir dort, was landschaftlich und kilometermäßig keinen großen Unterschied ausmacht.)
26.10.2017 mit Mirko
Zum Frühstück serviert und Chef Andrej in der Gostilna - Trattoria Muha in Lokev perfekten italienischen Caffé - und das in Slowenien! (Gut - Italien ist nur ca. 4 km entfernt und Triest ca. 15 km.)
Die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages streichen über die Gostilna Muha in Lokev, das älteste Wirtshaus im Karst, und eines der ältesten in Slowenien (seit 1679).
Bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts führte der Hauptverkehrsweg zwischen Triest und dem Landesinneren hier vorbei.
Deshalb gab es in Lokev bis zur Eröffnung der österreichischen k.und k. Südbahn unzählige Gasthäuser mit großen Stallungen. Aus dem Dorf stammten die meisten Pferdeknechte von Lipizza (Lipica), was auch heute noch so sein soll.
Bevor wir uns auf den Weg machen schauen wir uns noch kurz in Lokev um.
Der Name Lokev soll von einem Teich stammen, an dem die Reisenden früherer Zeit ihre Esel und Pferde tränkten. Lokva soll auf slowenisch "Teich, Pfütze oder Wasserstelle" heißen.
Markant fällt uns gleich ein zylinderförmiges Gebäude in der nähe der Kirche ins Auge. Es ist der "Tabor", ein historischer Wehrturm, der von den Venezianern im Jahr 1485 als Schutz gegen die Osmanen (Türken) erbaut wurde.
Seither hat er eine abwechslungsreiche Geschichte hinter sich:
erst als Verteidigungsturm, dann als Kornspeicher, im 19. Jahrhundert war die Dorfschule darin untergebracht, dann Wohnungen und zuletzt beherbergt er seit 1994 ein privates Militärmuseum.
Der 674 Meter hohe Kokoš (Monte Cocusso) ist ein beliebtes Ausflugsziel für Wanderer und Mountainbiker. Er liegt direkt an der italienisch-slowenischen Grenze und trennt den Karst von der Bucht von Triest. Unterhalb des Gipfels steht die an Wochenenden bewirtschaftete "Berghütte" Planinski dom Kokoš des slowenischen Alpenvereines.
Auch die Via Alpina, der Weitwanderweg, der in 161 Etappen von Triest nach Monaco führt, geht über den Berg Kokoš.
Von der im offiziellen Führer des Alpe-Adria-Trails beschriebenen und erhofften "atemberaubenden Fernsicht" konnten wir nicht viel wahrnehmen - der großräumige Bereich um die Hütte ist rundum mit Stauden und Gebüsch zugewachsen.
Nachdem wir uns nach der Ortschaft Mihele eine kurze Strecke durch dschungelartiges, verwachsenes Gelände mit aufgelassenen uralten, wahrscheinlich für den Weinanbau terrassenförmig angelegten Trockensteinmauern gekämpft haben, kommen wir an der italienisch-slowenischen Staatsgrenze wieder auf zivilisiertere Bahnen - der alten österreichischen k. und k. Bahnstrecke Triest - Herpelje.
Historischer Meilenstein und aufgelassene Bahntrasse der ehemaligen österreichischen k. und k. Bahnstrecke Triest - Herpelje.
Auf ihr fuhren die Züge von 1887 bis 1959.
Die ehemalige österreichische k. und k. Eisenbahnstrecke
Triest - Herpelje (1887 - 1959) -
seit 2010 Radweg "Giordano Cottur" - "La pista ciclopedonale Giordano Cottur".
Die Bahnstrecke Triest-Herpelje wurde in den Jahren 1885 bis 1886 in nur 20 Monaten Bauzeit von der österreichisch-ungarischen Regierung unter Einsatz von 4.000 Arbeitern (Laibacher Zeitung, 6. Juli 1886) gebaut und verband Triest mit Istrien (Pula) und dem Herzen der k. und k. Monarchie.
Die Strecke führt direkt vom Stadtzentrum Triest aus moderat ansteigend durch 5 Tunnels, über mehrere gemauerte Viadukte und Metallbrücken durch wunderbare Karstlandschaft in das Hinterland von Triest.
Von 2,5 Meter Meereshöhe in Triest geht es in knapp 19 Kilometern auf 488 Meter bei der Endstation in Herpelje (heute slow. Hrpelje-Kozina, iltal. Erpelle-Cosina).
Nach dem 2. Weltkrieg und der neuen Grenzziehung Italien-Jugoslawien verlor die Bahn an wirtschaftlicher Bedeutung und wurde schließlich 1959 eingestellt und in den 1960er Jahren abgebaut.
2010 wurde sie stillgelegte Eisenbahnstrecke der Triest-Herpelje-Bahn als Fuß- und Radweg reaktiviert und nach dem ehemaligen Triestiner Radrennfahrer
Giordano Cottur (1914-2006) - Dritter beim Giro d’Italia 1940, 1948 und 1949 -
"La pista ciclopedonale Giordano Cottur" benannt und ist heute wieder beliebtes Ausflugsziel.
Rosandratal - Val Rosandra - Dolina Glinščice
Plötzlich eröffnet sich ein atemberaubender Ausblick über das Rosandratal
(Val Rosandra) nach Triest und dem Meer.
Links in der Bildmitte die ehemalige Wallfahrtskirche Santa Maria in Siaris.
Unter uns der kleine, weltabgeschiedene Ort Botazzo (Botač) direkt an der italenisch-slowenischen Staatsgrenze am Ende des Rosandratales. Das
Dorf scheint fast unbewohnt, tatsächlich leben ca. 20 Menschen dort.
Botazzo / Botač
In Botazzo ereilte uns eine kleine Überraschung. In dem fast ausgestorben geglaubten Ort entdeckten wir die "Trattoria Botazzo" - eine Art Heuriger oder Buschenschank, wo wir uns bei einer einfachen, aber köstlichen Jause mit Karstschinken, Speck, Salami, Käse, Oliven, Teran und Malvasia-Wein unter schattigen Bäumen stärken konnten.
Das Gasthaus am Ende des Rosandratales ist ein beliebtes Ausflugsziel.
Bald darauf kommen wir zur nächsten Sehenswürdigkeit im Val Rosandra - den
ca. 30 Meter hohen Rosandra-Wasserfall, der über eine Geländekante in ein Erosionsbecken fällt, das einen kleinen grün bis türkisblauen See bildet.
Der 15 Kilometer lange Rosandra-Bach oder Fluß ist übrigens das einzige Gewässer des Triester Karstes, das oberflächlich fließt, alle anderen versickern sofort im Karst.
Das nutzten auch schon die alten Römer, die schon vor ca. 2.000 Jahren ein 14 km langes Aquädukt zur Trinkwasserversorgung von Triest bauten. Reste dieser aus Stein gebauten Wasserleitung sind heute noch zu sehen.
Der tief eingeschnittene Canyon im Rosandratal - wie eine Kulisse in einem Winnetou-Film...
Mitten im steilen Felsen die alte Wallfahrskirche Santa Maria in Siaris.
In einer Urkunde aus dem Jahr 1367 ist zu lesen, dass Leute, die in der Öffentlichkeit fluchten oder sich vulgär ausdrückten, zur Buße barfuß hinauf zur Kirche pilgern mussten, um die heilige Maria um Vergebung zu bitten.
Monte Carso / Cippo Comici
Hinauf geht es auf den Monte Carso und dem Felsvorsprung Cippo Comici. Ein kurzes Stück kommt es uns vor, als wären wir im hochalpinen Gelände, dabei sind wir nur wenige Kilometer vom Meer entfernt.
Am Cippo Comici, ca. 300 Meter über dem Meer steht ein Stein-Monument zu Ehren des Triester Alpinisten Emilio Comici (1901 - 1940), einem der weltbesten Kletterer seiner Zeit. Comici war ein Schüler von Julius Kugy - und so schließt sich wieder einmal der Kreis zu den Julischen Alpen. Er beging nahezu 100 Erstbesteigungen in den Julischen Alpen und den Dolomiten.
Unter anderem gelang ihm die Erstbegehung der Nordwand der Großen Zinne in den Dolomiten und die Vollendung von Kugy´s Traum - der vollständigen Begehung der "Via Eterna" - des "Ewigen Weges" über die "Götterbänder" am Wischberg (Jôf Fuart) in den Julischen Alpen.
Im Rosandratal (Val Rosandra) gründete er 1929/30 eine Kletterschule, die noch heute besteht. Seine Kletterabenteuer führten Comici bis nach Ägypten, Griechenland und Spanien. Auch im Vela Draga in Istrien hinterließ er seine Spuren.Trotz seines kurzen Lebens - er starb mit nur 39 Jahren bei einem Absturz in den Dolomiten - hinterließ er eine Vielzahl großer Leistungen und wird noch heute in Italien sehr verehrt.
"Ein grundgütiger Mensch, ein lauterster Charakter, ein wahrhafter Gentleman!
Julius Kugy über Emilio Comici
Weiter geht´s abenteuerlich und nicht ganz nach Plan.
Da der offizielle Wanderführer und die offizielle Tourenbeschreibung des Alpe-Adria-Trails nicht übereinstimmen und aufgrund der vielen Wander- Forst- und Grenzwege in diesem Bereich und mangelhafter Beschriftung haben wir den "falschen" Weg genommen.
Bei einer T-Abzweigung eines Forstweges war wohl das Alpe-Adria-Logo angebracht - aber leider kein Richtungspfeil. So haben wir nach kurzer Beratschlagung intuitiv den linken Weg genommen - was uns an diesem Tag ca. 10 km mehr einbringen sollte...
...dafür kamen wir auf immerhin 438 Meter Meereshöhe - und das wenige Kilometer neben dem Meer - und bekamen die Ruinen des Castelliere di Monte Carso, einer Verteidigungsanlage angeblich aus vorrömischer Zeit, also ca. 2.500 Jahre alt zu sehen! Unglaublich hunderte Meter (angeblich 800) geradliniger Steinhaufen!
Vollkommen entschädigt für unsere lange Hatscherei wurden wir durch einen traumhaften Sonnenuntergang über der Stadt Triest und seinen Golf!
Bagnoli della Rosandra
Jetzt heißt es Beeilung, schnell Meter gewinnen, bevor es endgültig dunkel wird.
Über langweiligen Forstweg (Strada forestale Monte Cocusso) direkt an der italienisch-slowenischen Grenze gelangen wir schnellen Schrittes zur Burg (Grad) Socerb.
Nützt aber nichts - die Finsternis holt uns ein. Wenigstens sind wir schon auf der Asphaltstraße - also Stirnlampen auf und weiter geht´s durch die menschenleeren Ortschaften Prebenico und San Dorligo della Valle nach Bagnoli della Rosandra.
Nur ein Hund bellt und kläfft vor jedem Haus.
Es ist schon 20 Uhr 30 und stockfinster als wir in Bagnoli ankommen. Nun heißt es "Quartier suchen". Als wir endlich das empfohlene B&B Sotto il Volto finden, begrüßt uns der Gastgeber freundlich und herzlich - aber leider hat er für heute kein Zimmer mehr frei. Er geht mit uns 2 Häuser weiter zu B&B in Valle. Auch hier eine äußerst freundliche Besitzerin - aber auch sie hat kein Zimmer mehr frei. Puhh!.. - jetzt wird`s eng! - aber sie telefoniert mit Andrea, dem Besitzer von B&B Torrente Rosandra, ca. 500 Meter weiter im hintersten Winkel von Bagnoli Superiore. "Niente" ist alles was wir aus dem Telefongespräch heraushören. Puuuh!...was machen wir jetzt!? - Dann doch, wir sollen in 20 Minuten dort sein - er hat noch ein Zimmer - er macht es nur noch schnell fertig. Gerade noch - wir haben das letzte Zimmer für heute bekommen.
Andrea stellt sich als äußerst freundlicher und zuvorkommender Gastgeber heraus, der in seiner Freizeit gerne in den Bergen unterwegs ist.
Das Haus hat er neu renoviert. Da an diesem Tag im ganzen Ort kein Gasthaus mehr offen hat, bestellt er für jeden von uns eine Pizza und ein Bier. Nach dem überlangen Tagesmarsch ein Traum! Stolz zeigt er uns seine Bewertungsurkunden von booking.com - vorletztes Jahr 9,5 von 10 Punkten, letztes Jahr 9,6 - heuer will er 9,7 erreichen!
Er möchte seine Gäste so bewirten, wie auch er behandelt werden will. "It´s easy." - sagt er.
Am nächsten Morgen gab es noch ein ausgiebiges Frühstück, das wir in Gesellschaft eines netten und sportlichen Ehepaares aus der Steiermark genossen...
So gestärkt ging´s frisch auf zur letzten Etappe des Alpe-Adria-Trails....!
Tipp:
Das Alpe-Adria-Trail Tourenbuch und den dazugehörigen Folder gibt es kostenlos auf der offiziellen Homepage des Alpe-Adria-Trails zu bestellen!
http://alpe-adria-trail.com/de/
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